Montag, 29. Oktober 2012

Filmkritik: Hotel Transsilvanien



(Quelle: GreekGeek)

Wer erinnert sich noch an Van Helsing, jenen im Sommer 2004 ins Kino geworfenen Reißbrett-Blockbuster unter der Regie von Stephen Sommers, der Hugh Jackman und Kate Beckinsale gegen allerlei bekannte Monster antreten ließ, namentlich Dracula, Frankensteins Monster, den Werwolf und Dr. Jeckyll/Mr. Hyde? Je weniger es sind, desto besser, denn Van Helsing war nicht nur eine Beleidigung eines jeden Kinogängers mit seinen dummen Dialogen, schlechten Charakteren und ermüdenden Bildern, er war auch eine misslungene Hommage/Auferstehung der klassischen Monster, die vor allem in den Filmen aus den Hammer-Studios Generationen von Filmfans das Fürchten lehrten.
Nun ist es an einem Animationsfilm, ein würdigeres Gipfeltreffen der nächtlichen Alpträume auszurichten. Hotel Transsilvanien von Regisseur Genndy Tartakovsky, dem Mann hinter Cartoonserien wie Samurai Jack, Powerpuff Girls und Dexters Labor, gelingt dies zwar nicht auf bravouröse Weise, aber sein Kinoerstling mag im Story Department noch diverse Schwächen aufweisen, watet dafür aber mit vielen Details und Nuancen auf, die ihn durchaus sehenswert machen.

Um seine Tochter Mavis vor den gefährlichsten Monstern der Welt, den Menschen, zu beschützen, ließ Graf Dracula einst eine riesige Burg, umgeben von einem unheimlichen Wald, errichten. 118 Jahre später steht nicht nur das alljährliche Treffen der Ungeheuer dieser Welt in diesem Hotel Transsilvanien an, sondern auch Mavis‘ Geburtstag, mit dem sie die Vampir-Volljährigkeit erreicht. Sie will die Welt entdecken, etwas, dass ihrem übervorsichtigem Vater überhaupt nicht behagt. Als sich dann auch noch der Slacker Jonathan als erster Mensch ins Hotel verirrt und es zwischen ihm und Mavis funkt, stehen dem Grafen turbulente Zeiten ins Haus…

Die Geschichte von Hotel Transsilvanien ist mehr oder minder aus dem Bausatz. Wir haben den besorgten Vater, die freiheitsliebende Tochter, den romantischen Eindringling und alle Probleme und Konflikte, die sich daraus ergeben. So weit nicht viel Neues, allerdings entschädigt Draculas Hintergrundgeschichte etwas dafür. Mavis wird von ihm nicht aus einem diffusen Bedrohungsgefühl heraus beschützt, sondern weil Menschen seine Frau, Mavis‘ Mutter, töteten, obwohl die Vampirfamilie versuchte, normal unter Menschen zu leben (Blut trinken diese Vampire schon lange nicht mehr, sondern begnügen sich mit Ersatzstoffen wie Bionade-Blut). Dieser emotionale Ankerpunkt wird in der stärksten Sequenz des Films durch Dracula via Rückblenden erzählt und stellt einen interessanten Kontrast zum manchmal etwas überdrehten Rest des Films da. Die spürbare Bedrohung, die in den Rückblenden generiert wird, verbunden mit der melancholischen Beleuchtung der Gegenwart, in der Dracula Jonathan den Grund für sein Handeln erläutert, will auf den ersten Blick so gar nicht zu dem sonstigen Spektakel des Films passen, der sich etwas mehr an seinen eigenen Actionszenen erfreut, als ihm gut tut. Auf den zweiten Blick wird jedoch gewahr, dass Regisseur Tartakovsky hier erfolgreich Elemente in seinen Film einpflegt, die über die reine Unterhaltungsebene hinaus gehen. Die Frage nach der Natur des Monsters ist nicht neu, auch nicht dass sich das Medium Film eher für den gebeutelten Außenseiter, menschlich oder nicht, stark macht, aber dass dieses Element in einem Film wie Hotel Transsilvanien auftaucht, der sich auch für Flatulenzscherze und gepuderte Hinterteile nicht zu schade ist, erfordert ein gewisses Maß an Mut und ist vor allem inmitten des manchmal etwas zu hektisch geratenen Films eine wahre Wohltat.

Zudem ist Hotel Transsilvanien wahrscheinlich einer der ersten westlichen Animationsfilme, in dem die Existenz von Rassismus aktiv bestätigt wird. „Solange sie denken, du bist ein Monster und kein Mensch, werden sie dir nichts tun“, gibt Dracula Jonathan in einer Szene zu bedenken, woraufhin dieser nur erwidert: „Das ist aber ganz schön rassistisch!“ Die Inklusion beziehungsweise Exklusion einer Gruppe nur aufgrund der äußeren Merkmale ist zwar immer wieder ein Thema im Trickfilm und manchmal sind die Kopfbewegungen in Richtung Antifaschismus auch sehr deutlich (z.B. im Film Robots von Chris Wedge; mehr dazu in einem späteren Blogeintrag), aber Hotel Transsilvanien in der erste Animationsfilm, der dieses Problem explizit beim Namen nennt (zumindest nach meinem Kenntnisstand. Wer es besser weiß, darf mich korrigieren). Es ist nur ein kurzer Augenblick im Film und wird von den meisten Zuschauern wahrscheinlich nur als Scherz goutiert, aber dennoch ist auch dies ein Beispiel für die Details, die Hotel Transsilvanien interessant machen.

Natürlich funktioniert nicht alles in diesem Film. Wie bereits erwähnt ist der Film oftmals hektischer als er sein müsste (ich mag mir nicht ausmalen, wie verwirrend manche Sequenzen erst in der 3D-Fassung sein müssen) und die Actionsequenzen sind irgendwann ermüdend, auf der anderen Seite profitiert der Film bei der Charakteranimation eindeutig von Tartakovskys Erfahrung. Wenn Dracula zufrieden grinst und die Mundwinkel steil nach oben stehen wird nicht nur der aus dem klassischen Zeichentrickfilm bekannte Stil des Regisseurs deutlich, es zeigt auch, dass hier die Übertragung von einem Medium auf das Andere geglückt ist. Manchmal wirkt Hotel Transsilvanien in punkto Figurenbewegung wie ein alter Warner-Brothers-Cartoon und das ist wahrlich kein Nachteil. Nicht alle Figuren sind allerdings geglückt. Die Mumie Murray wird sträflich vernachlässigt und man hat das Gefühl, dass man nicht wirklich wusste, was man mit dem Charakter eigentlich anfangen wollte. Die Braut von Frankensteins Monster (nicht nur Frankenstein, aber dieser Fehler wird wohl auf Ewigkeiten immer wieder auftauchen), ein kreischendes Etwas, dass nicht nur aussieht wie Fran Drescher, sondern im Original auch noch von ihr synchronisiert wird, ist schlicht überflüssig und Griffin, der unsichtbare Mann, muss für allerlei weniger gelungene Gags herhalten. Dracula bleibt die interessanteste Figur und die Beziehung zwischen Mavis und Jonatahan ist auf ihre Art niedlich, impliziert aber auch weniger gute Assoziationen, da Mavis als Vampirin deutlich langsamer altert als der Mensch Jonathan und ihre Beziehung dadurch im Grunde von vornherein unter keinem günstigen Stern steht. Nach dem Kinobesuch musste ich erfahren, dass Filmkritiker Dustin Putman dieses Dilemma bereits gut zusammengefasst hat:

„Also problematic is the romance that arises between Mavis and Jonathan. It's not that their relationship isn't sweet in its own way (…), but director Genndy Tartakovsky grossly overlooks the logistics of a vampire who will live forever going out with a mortal human. There is no mention of Jonathan having to give up his human life to be with Mavis, nor is it ever broached that Jonathan will have died before Mavis has reached the vampiric equivalent of middle age. As the film's end paves the way for a rocking musical number and the two lovebirds swoon all over each other, the underlying fact still remains that these two kids are in for a world of hurt and heartache, and sooner rather than later. Simply put, it's emotionally dishonest.“[1]
Andererseits besiegt der Film bereits den Menschen/Monster-Rassismus auf vielfacher Basis, also besteht die Chance, dass es auch für Mavis und Jonathan eine Lösung gibt.

Hotel Transsilvanien bietet nicht die ausgefeilte Story eines PIXAR-Films noch deren technische Überlegenheit. Dieser Film ist ein oftmals überdrehter Cartoon, unterhaltsam, kurzweilig und im Grunde lohnt es sich schon nur für einen herrlichen Seitenhieb auf Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen ein Ticket zu lösen. Die Elemente, die den Film auch über Slapstick hinaus interessant machen, sind vorhanden, aber noch nicht zahlreich. Genndy Tartakovsky zeigt aber, das er in der Lage ist, diese einzubauen und wenn zukünftige Filme eine noch bessere Balance finden, darf man bereits jetzt gespannt sein.