ACHTUNG! Die folgende Kritik enthält ein paar kleinere Spoiler. Wer sich ein gänzlich "reines" Filmvergnügen bewahren will, der geht erst ins Kino und schaut dann wieder hier vorbei.
Offizielle Sprachregelungen sind etwas Wunderbares. So wird Ridley Scotts
Reise zu seinen filmischen Ursprüngen nicht als direkte Vorgeschichte zu seinem
Kultfilm
Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt vermarktet,
sondern als eigenständiges Werk, das aber sehr viel
Alien-DNA in sich trägt. Dass
Prometheus mit ein oder zwei Fortsetzungen die Lücke zwischen den Filmen füllen
könnte, wird dann nur noch im Nebensatz erwähnt.
Es stimmt,
Prometheus - Dunkle Zeichen schließt nicht komplett an
Alien an,
zu viele Dinge passen noch nicht zusammen, zu groß sind noch die Widersprüche.
Der Grundstein für eine erfolgreiche Prequel-Serie á la
Star Wars (auch wenn
der Vergleich nur in punkto Funktionalität angebracht ist, nicht in Hinsicht
auf Intention und Qualität - Scott dreht schlicht anspruchsvollere Science-Fiction-Filme
als George Lucas) ist hingegen mit
Prometheus erfolgreich gelegt. Der Film ist
nicht ohne Mängel und im direkten Vergleich ist
Alien von 1979 immer noch das
bessere Werk, aber
Prometheus ist ein unterhaltsamer Film, nie langweilig, manchmal
gar brillant und nimmt vor allem sein SF-erprobtes Publikum ernst. Im Gegensatz
zu Scotts Zukunftsvisionen ist etwas wie
Star Wars oder das neue
Star
Trek-Franchise nur ein besserer Kindergeburtstag.
In der letzten Woche des Jahres 2093 landet die 17-köpfige Crew des
Forschungsraumschiffes Prometheus nach über zwei Jahren Flugzeit auf dem
entfernten Mond LV-266, auf dem sich die Wissenschaftler Shaw (Noomi Rapace,
die originale Lisbeth Salander aus
Verblendung) und Holloway (Logan
Marshall-Green) die Antwort auf die Frage nach dem
Woher? der Menschheit
erhoffen. Höhlenzeichnungen auf der Erde ließen darauf schließen, dass die
Menschheit einst von Außerirdischen kreiert wurde und sie die technisch nun
entwickelten Menschen mit den Zeichnungen auf den fernen Trabanten einladen.
Tatsächlich landet man quasi direkt vor einer fremdartigen Pyramide, in deren
Innern aber alles tot erscheint. Doch wie so oft täuscht der erste Eindruck und
spätestens als einer der dümmsten Biologen der neueren Filmgeschichte seinen
großen Auftritt hat, ist jedem klar, dass die Pyramide alles andere als tot
ist. Und auch die Erkenntnis, dass das Wort "Einladung" im Hinblick
auf die Höhlenzeichnungen vielleicht nicht allzu glücklich gewählt war, kommt
zu spät…
Ridley Scott ist ein meisterhafter Bildregisseur. Von der ersten Minute an,
in der die Kamera über kargen Landschaften (gedreht auf Island) schwebt bis zu
dem Interieur des außerirdischen Raumschiffs, dessen H.R. Giger-Look scheinbar
niemals seine Wirkung verfehlt, bietet uns Scott hervorragend komponierte
Filmbilder. Selbst das 3-D-Format wird intelligent eingesetzt, um die Räume zu
erweitern und zeigt wieder einmal den kolossalen Unterschied zwischen
"echtem" 3-D (also Filmen wie
Prometheus, die von vornherein mit 3-D-Kameras
gedreht wurden) und nachträglich errechnetem 3-D auf. Einzig in der
Titelsequenz stören die eingeblendeten, greifbaren Credits massiv die überwältigenden
Naturbilder, aber das ist im Großen und Ganzen vernachlässigbar.
Prometheus sieht hervorragend aus; die Entscheidung, Sets zu bauen anstatt
komplett auf den Computer zu vertrauen ist immer zu begrüßen. Handwerklich ist
nichts zu beanstanden, inhaltlich schon.
Eine der größten Stärken der
Alien-Filmreihe ist, dass dem Zuschauer die
Protagonisten nicht egal sind. In
Alien hat jeder von ihnen eine
Persönlichkeit, die Beziehungen untereinander sind dynamisch und man will
schlicht nicht, dass sie als Alien-Beute enden.
Aliens - Die Rückkehr schaffte
es danach, einem Trupp Soldaten, sonst gern und oft nur als austauschbares
Kanonenfutter dargestellt, menschliche Gesichter zu geben. Marines durften
weinen, betteln, flehen und verzweifeln im Angesicht eines unberechenbaren
Feindes - ziemlich viel für einen Haufen "harter Kerle".
Alien 3
watete mit einer ganzen Armada von potenziellen Figuren in Form der vom Alien
tyrannisierten Strafgefangenen auf und gab hier einigen, wenn auch nicht allen,
eine Persönlichkeit. Am nächsten an
Prometheus ist
Alien - Die Wiedergeburt mit
seinen Archetypen, die im Großen und Ganzen ähnlich farblos bleiben wie die
Crew auf LV-266. Allein die Anzahl - 17 (!) - ist ein unmissverständliches
Zeichen: die allermeisten sind nur hier, um zu sterben. So gibt es eine
Sequenz, die ohnehin eher den Anschein hat, als wäre sie nicht aus
dramaturgischen Gründen geschrieben worden, in der eine ganze Gruppe von vorher
nicht in Erscheinung getretenen Crewmitgliedern von einem reanimierten Geologen
niedergemetzelt werden. Die Sequenz ist sinnlos und erhöht lediglich die Anzahl
der verzeichneten Leichen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob wir eine
Figur wie Kane in
Alien erst kennenlernen und dann mit ansehen müssen, wie
etwas aus einer Brust herausbricht, oder ob vier namenlose und hinter Helmen
versteckte Techniker sterben. Dermaßen inflationär bei gleichzeitiger Nicht-Charakterisierung
ging noch kein Film aus dem
Alien-Universum mit seinen Figuren um.
Gänzlich anders nutzt
Prometheus zudem den filmischen Raum. In
Alien war die
Nostromo ein verwinkeltes, düsteres Gebilde, dem man ansah, dass es nicht dazu
gebaut wurde, damit Menschen überall in seinem Inneren herumkriechen können;
ein klaustrophobischer Albtraum. In
Aliens erschien dem Zuschauer der langsam
von den Aliens eingenommene Außenposten wie eine terrane Version der
Nostromo
und das rettende Militärraumschiff
Sulaco nebst Shutteln erschien hoffnungslos
unerreichbar. Auch
Alien 3 und
Alien - Die Wiedergeburt konnten mit ihren
Settings ein Grundgefühl der Klaustrophobie bei gleichzeitiger Betonung der
Größe des Handlungsortes erzeugen. Einen einfachen Ausweg, einen
short cut oder
gar einen Überblick gab es nie.
Das Raumschiff Prometheus wiederrum landet direkt vor der Haustür der
Außerirdischen und es ist nur ein verhältnismäßig kurzer Weg mit ein paar
futuristischen Landrovern, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Wir wissen
stets, wo wir uns befinden (was die Figuren Fifield und Millburn nur noch
weiter als bloße Werkzeuge des Drehbuchs entlarvt), selbst im Finale verlieren
wir nie den Überblick und irgendwann bewegt sich Shaw so selbstsicher im Innern
des außerirdischen Gefährts, als hätte sie nie etwas anderes getan. Das Design
und die gekonnt inszenierte Atmosphäre im Innern des Alien-Vehikels sorgen
routiniert für eine unheilvolle Stimmung, verloren gehen kann man aber nicht.
Scott gibt uns eine recht einfach zu merkende Landkarte an die Hand und
verschenkt dabei auch das Potenzial, zumindest das menschliche Raumschiff zu
einem interessanten Ort zu machen. Optisch ein gelungener Gegensatz zur
dreckigen Funktionalität der
Nostromo (die „Reinheit“ der Prometheus-Mission
wird im Laufe der Handlung dann auch nicht nur ideell, sondern auch bildlich
besudelt, in einer der gleichzeitig intensivsten und angreifbarsten Sequenz des
Films) werden die Dimensionen nur in den Anfangssequenzen offenbar, wenn
Android David einsam durch das Schiff stromert und die Träume der menschlichen
Besatzung im Kälteschlaf dank einer ausgeklügelten (aber auch fragwürdigen)
Technik betrachtet.
Das Stichwort Androide darf natürlich in keinem Film mit
Alien-DANN fehlen.
In
Prometheus heißt das Modell David, wird kongenial von Michael Fassbender
verkörpert und bleibt bis zum Schluss ambivalenter als jedes seiner filmischen
Vorgängermodelle, egal ob sinisterer Ash, heroischer Bishop oder ambitionierte
Call. Wenn David zwei Jahre allein über die Prometheus streift, Shaws Träume
beobachtet und nach ausgiebigen Filmstudium Peter O’Toole in seiner
Lawrence
von Arabien-Rolle immer perfekter imitiert, ist das gleichzeitig beunruhigend
und grotesk als auch von einer schrägen Poesie.
Fassbender gelingt so die beste schauspielerische Leistung, die man in diesem
Film bewundern darf. Noomi Rapace als Shaw ist ebenfalls ein interessanter
Charakter, indem sie wie Ripley (Sigourney Weaver) eine starke Frauenfigur
portraitieren darf, die zum ersten Mal eine spirituelle Dimension in das
Alien-Universum einführt. Sicher, die Strafgefangenen in
Alien 3 bekannten sich
plakativ zum Glauben, aber Shaw wird als gläubige Christin vor mehr als eine
metaphysische Herausforderung gestellt. Dies kann man mit Fug und Recht ebenfalls
plakativ nennen (das um den Hals getragenen Kreuz nimmt mehr Deutungsraum ein,
als es müsste), verweist aber auch geradezu schnippisch darauf, dass
Prometheus
zwar eine Erklärung für die Herkunft der Menschheit parat hält, Gott oder eine
andere höhere Macht aber konsequent ausschließt bzw. sich einem religiösen
Statement entzieht. Shaw wird verletzt, sowohl geistig als auch körperlich, wie
ihre Spiritualität diesen Prozess überstehen wird, darauf werden wohl die Fortsetzungen
mehr Auskunft geben.
Ansonsten fallen nur noch Idris Elba als Captain Janek und Charlize Theron als
Meredith Vickers auf. Ersterer, weil er ganz offensichtlich viel Spaß an seiner
Rolle hat und trotz der limitierten Präsenz einen Charakter umreißen kann und
Zweitere, weil ihre Rolle grandios daneben geht. Das Drehbuch weiß mit Vickers
nicht viel anzufangen, das Konfliktpotenzial zwischen ihr und David wird nie
ausreichend ausgeschöpft und ihre Verbindung zu der von Guy Pearce in
misslungenem Make-Up dargestellten Figur des Peter Weyland (
Alien-Kenner
horchen auf) ist derartig vorhersehbar, dass man sich fast dafür schämt, wie
sehr der Film die „Enthüllung“ vorbereitet, obwohl der Zuschauer doch bereits
durch schlichte Aufmerksamkeit informiert ist. Ansonsten hat Vickers nicht viel
mehr zu tun, als im Hintergrund zu stehen, geheimnisvoll zu schauen und
kläglich daran zu scheitern, David die Charaktereigenschaften (und
Plot-Funktionen) zu stehlen. Ihr Ausscheiden aus der Handlung bekräftigt nur
die Annahme, dass man nicht recht wusste, was man mit der Figur anfangen
sollte.
Das hört sich nun so an, als gäbe es bei
Prometheus mehr zu beanstanden als
zu mögen. Dem ist zwar nicht so, aber als Vorgeschichte zu einer filmischen
Ikone gerät Scotts Film natürlich unter genauere Betrachtung als der
Durchschnitts-Science-Fiction. Auch wenn dem geneigten Film-Freund die
Unterschiede und die fehlenden Anschlüsse im Hinblick auf
Alien auffallen und
das Drehbuch von Damon Lindelof (der bereits die TV-Serie
Lost und den
Spielfilm
Cowboys & Aliens zweifelhaft in Text brachte) zwar Atmosphäre und
Begebenheiten beherrscht, in punkto Dialoge aber größtenteils gnadenlos
versagt, so kann man
Prometheus doch attestieren, dass er sich trotz des
Erwartungsdrucks hervorragend schlägt. Als eigenständiger Film ist er den
Ticketpreis wert, als Mitglied im
Alien-Universum (von dem an dieser Stelle die
unsäglichen
Alien Vs. Predator-Ausgeburten explizit ausgeschlossen werden)
macht er Lust auf mehr. Wenn Ridley Scott
Prometheus zu einer Prequel-Trilogie
ausbaut, so hat er mit
Prometheus – Dunkle Zeichen einen respektablen Start
vollführt. Handwerklich atemberaubend, spannend und trotz Lindelofs Dialogen
nicht dumm lässt
Prometheus zwar einiges vermissen, aber gibt dafür auch
einiges. Und wenn es nur zwei sinnvoll verbrachte Kinostunden sind.