Montag, 13. August 2012

Sprache & Science-Fiction


John Carter – Zwischen zwei Welten macht es sich recht einfach, wie die meisten Science-Fiction-Filme. Um die Sprachen , die auf dem alternativen Entwurfes eines Mars nach den Romanen von Tarzan-Schöpfer Edgar Rice Burroughs gesprochen werden, verstehen zu können, muss man nur eine nicht näher beschriebene Flüssigkeit trinken und schon ist die Verständigung zwischen Erdenmenschen und Mars-Thargs kein Problem mehr. Ein liquider Universalübersetzer: sicherlich angenehmer, als sich einen Fisch ins Ohr zu schieben…

Sprache als solche und Kommunikation als Ganzes gehören zu den eher wenig beachteten Aspekten im Science-Fiction-Kino. Dabei ist es neben der grundsätzlichen Frage, wie und in welcher Umwelt sich ein außerirdischer Organismus entwickelt hat, doch die wichtigste Information, die wir bekommen könne.
„Wie fremdartig darf ein Wesen sein, damit wir es noch als gleichberechtigten Akteur betrachten und zumindest versuchen, mit ihm zu kommunizieren? Welches sind die Voraussetzungen, damit eine solche Kommunikation gelingen kann? Und: Was können wir in ihr überhaupt erfahren?“[1]
Beim Stichwort Fremdartigkeit wird oft als erstes, wie es sich für uns als visuelle Spezies gehört, an ein exotisches, seltsames, eben außer-irdisches Äußeres gedacht. Tentakel, Schleim, nicht sofort identifizierbare Sinnesorgane, für uns groteske Auswüchse.

Dabei beginnt die potenzielle Fremdartigkeit hier erst. Kalmare kommunizieren mit einem rasanten Farbwechsel der Haut, Hunde identifizieren Individuen anhand ihres Geruchs, Wale „sprechen“ miteinander, indem sie für uns nicht (restlos) dechiffrierbare Töne und Klangfolgen durch die Ozeane senden und Elefanten setzen zur Kommunikation untereinander derartig tiefe Töne ein, dass sie vom menschlichen Ohr nicht mehr wahrgenommen werden können.
Allen genannten Tierarten kann man durchaus Intelligenz bescheinigen, dennoch findet eine Kommunikation zwischen ihnen und uns nicht auf die Art statt wie zwischen Mensch und Mensch. Menschen kommunizieren mit ihren „willkürlich verabredeten Zeichen“[2], also etwas, dass wir Sprache nennen. Tierische Kommunikationsformen mögen nach ähnlichen Prinzipien funktionieren (Stichwort Walgesang), aber aufgrund einer fehlenden Basis können wir uns kaum darüber austauschen. Wie kann also so die Kommunikation mit jemand gelingen, der nicht einmal vom gleichen Planeten stammt wie sein Gegenüber?

Nach der Beantwortung dieser Frage in der Realität zu fragen, ist müßig. Weder wandeln die Außerirdischen unter uns noch gibt es irgendwelche Anzeichen, dass wir in nächster Zeit auf welche stoßen könnten. Es sei denn, Curiosity gelingt auf dem (reellen, nicht dem von Burroughs beschriebenen) Mars eine bahnbrechende Entdeckung. Und auch dann wird sich das Ergebnis wohl eher auf der mikroskopischen Ebene abspielen.
Wie gut, dass Science-Fiction nicht an die Realität gebunden ist, zumindest nicht im Detail. Doch auch hier gibt es gelungenere und eher „faule“ Beispiele dafür, wie die Kommunikation zwischen Alien & Mensch ablaufen könnte und wie auf beiden Seiten die Grundlagen geschaffen werden können.

Wie gesagt ist John Carter – Zwischen zwei Welten eher ein Beispiel für die bequemere Herangehensweise. James Camerons Avatar – Aufbruch nach Pandora macht sich da schon mehr Gedanken, wenn er zeigt, dass die Sprache der außerirdischen Na’vi erst mühsam gelernt werden muss und zumindest in Nebensätzen erwähnt, dass Sprache ihre Tücken und Feinheiten hat. Und da wir nur zu gern der suspension of disbelief verfallen schauen wir großzügig darüber hinweg, dass das ganze Konzept, eine außerirdische Sprache quasi aus dem Pons oder Langenscheidt zu lernen, in sich alles andere als stimmig ist…

TV-Serien mit einer Vielzahl an Nicht-menschlichen Protagonisten benutzen einen Universalübersetzer, ob nun mechanisch (Star Trek) oder organisch (Farscape). Im Hinblick auf die heutige Debatte darum, ob beispielsweise Navigationsgeräte die Fähigkeit zur eigenständigen Orientierung der Menschen dramatisch schwinden lassen[3] ist eine Episode wie Darmok der Serie Star Trek – Das nächste Jahrhundert geradezu ein augenzwinkernder Kommentar darauf, sich auch in linguistischer Sicht nicht zu sehr auf die Technik zu verlassen. In der Episode muss Captain Picard von der Enterprise mit einem außerirdischen Captain und einem defekten Universalübersetzer, gestrandet auf einem unbekannten Planeten, einen effektiven Weg finden, eine lauernde Gefahr abzuwehren. Dabei verweist die Folge (womöglich unbeabsichtigt) auf den Wolfgang Petersen-Film Enemy Mine – Geliebter Feind, in dem ein Mensch und ein verfeindeter Drac auf einem unwirtlichen Planeten abstürzen und, fern von ihrer beiden Völker, zusammen einen Weg finden müssen, um zu überleben. Dabei spielen Sprachbarrieren eine erhebliche Rolle, die im Laufe der Zeit immer weiter abgebaut werden, als die beiden Kontrahenten, die langsam zu Freunden werden, die jeweils andere Sprache lernen.

In Star Wars ist der mechanische Universalübersetzer in Form des Roboters C-3PO als eigenständige Figur ausgelagert. Ansonsten legen die Menschen in George Lucas‘ Universum eine beeindruckende Sprachkompetenz an den Tag. Wenn Han Solo mit Chewbacca redet ist das so, als würde Martin Rüter mit seinen Hunden wirklich, im menschlichen Sinne, reden. Auch die anderen Figuren verstehen eine ganze Bandbreite an Sprachen und der junge Anakin Skywalker scheint weit mehr als nur bilingual aufgewachsen zu sein.
In District 9 hat die Zeit dafür gesorgt, dass sich Menschen und Aliens gegenseitig verstehen, auch wenn die niemand in der Lage ist, die Lautäußerungen des jeweils anderen nachzuahmen. Knapp 25 Jahre sollten auch reichen, um eine andere Sprache zu lernen, auch wenn die Klickgeräusche der in District 9 portraitierten Aliens schwieriger differenzierbar scheinen als die vergleichsweise „geordnete“ Sprache der Na’vi…
Kein Problem wiederum haben die außerirdischen Tenctonen in Alien Nation mit der menschlichen (sprich: englischen) Sprache. Als auf Anpassung gezüchtete Sklavenrasse benötigen sie nach ihrer Ankunft auf der Erde durchschnittlich nur drei Monate, um die Sprache mit all ihren Finessen zu erlernen. Menschen machen sich in der kurzlebigen, aber empfehlenswerten TV-Serie und den dazugehörigen TV-Filmen, die auf dem Kino-Flop Spacecop L.A. 1991 beruhen, kaum die Mühe, die Sprache der Tenctonen zu erlernen. Da man dem Zuschauer dauerhafte Untertitel ersparen möchte, hat der Gebrauch von Sprache in Science-Fiction-Umgebungen auch oftmals etwas Assimilierendes an sich. Sprich Englisch, verdammt!

Letztlich kann (und will) der Science-Fiction-Film nicht das leisten, was der Science-Fiction-Roman leistet. Sperling von Mary Doria Russell beispielsweise baut auf Sprache auf, ist die Hauptfigur doch Linguistiker, der auf einem fernen Planeten über Jahre hinweg die Sprache der ansässigen Lebewesen studiert und so nach und nach den Plot in stimmige, aber auch beängstigende Bahnen lenkt. Und schließlich ist da noch Solaris von Stanislaw Lem, dessen titelgebender intelligenter Ozean zwar Interesse an einer Kommunikation mit Menschen hat, aber die grundsätzliche Verschiedenheit der beiden Spezies eine gewinnbringende Verständigung unmöglich macht.
Selbst wenn wir nicht allein im Universum sind (wovon auszugehen ist) und wir entgegen aller Wahrscheinlichkeit irgendwann mit den Anderen in Kontakt treten könnten (wovon weniger auszugehen ist), so ist es doch mehr als fragwürdig, ob eine für beide Seiten lohnende Kommunikation möglich wäre.
Und auf einmal erscheint John Carter wie eine mehr als willkommende Zukunftsvision. Wer will sich seine Träume von Utopia schon von der Realität stören lassen…


[1] Michael Schetsche: Der maximal Fremde – eine Hinführung in Michael Schetsche [Hrsg.]: Der maximal Fremde – Begegnungen mit dem Nichtmenschlichen und die Grenzen des Verstehens, Würzburg 2004, S. 13
[2] Vgl.: Die 13 wichtigsten Fragen zur Sprache, in GEO Wissen Nr. 40, Hamburg 2007, S. 22
[3] Jüngst wieder am 03.08.2012 in der SWR 2 Sendung Forum zu hören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/forum.xml

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