Donnerstag, 22. November 2012

...und ewig schlurft der Zombie



ACHTUNG! Im folgenden Text befinden sich Spoiler zum Comic The Walking Dead. Alle Leser seien hiermit gewarnt.


Zombies sind nicht totzukriegen.

Da dieser schale Scherz nun nicht mehr wie ein Damoklesschwert über diesem Eintrag schwebt, können wir zum wesentlichen kommen.

Der moderne Filmzombie, jener reanimierte menschliche Leichnam, der einen für die anderen Beteiligten ungesunden Appetit auf lebendes Fleisch mit sich bringt, erblickte 1967 in George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten das Licht der Leinwand. Vorher zwar ebenso willenlose, aber eher harmlose Gestalten, entlehnt aus der haitianischen Kultur, wandelte sich der Wiedergänge hier zur ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben. Der Zombie gehorcht keinen gesellschaftlichen Regeln, er ist eine Art endgültiger Hedonist, nur auf die Befriedigung seiner Triebe ausgerichtet. Und dies ist nur eine der möglichen Interpretationen. Zombies eignen sich, wie so viele unserer Monster, als perfekte Projektionsfläche für allerlei Ängste und Sorgen.

Diese Aspekte sind meistens interessanter als die Elemente, die diesen Filmen oftmals haarsträubende Zensurauflagen bescheren. Ein Zombiefilm ohne Gewalt ist kaum denkbar, geht doch eine Revolution, wie sie von den lebenden Toten angestachelt wird, selten ohne sie vonstatten. Dennoch ist beispielsweise die ätzende Gesellschaftskritik in Zombie – Dawn of the Dead von 1978 (ebenfalls Romero) diskussionswürdiger als das rosafarbende Tuschkastenblut und die oft eher albernen Gore-Effekte. Die Zombies bilden den Rahmen, den Katalysator, ein immer verfügbares Bedrohungsszenario, auf dessen Untergrund sich der Kern der Geschichte entfalten kann.
Dies bringt uns direkt zu Robert Kirkmans The Walking Dead, als TV-Serie gerade in der Mitte der dritten Staffel angekommen, als Comic seit 2003 äußerst erfolgreich und in den USA inzwischen über 100 Hefte stark. Im Vorwort des ersten Sammelbandes liest man:

„To me, the best zombie movies aren’t the splatter fests of gore and violence with goofy characters and tongue in cheek antics. Good zombie movies show us how messed up we are, they make us question our station in society… and our society’s station in the world.”[1]

Wohl wahr, denn der Comic schafft etwas, dass Horrormedien oft generell abgesprochen wird: Er lässt uns derartig am Leben der Figuren teilhaben, mit ihnen mitzittern und ihr Überleben feiern beziehungsweise ihre Verluste betrauern, dass die Zombieübergriffe manchmal wie störendes Beiwerk wirken. Sie sind, wie gesagt, das permanente Bedrohungsszenario, sie bilden eine kaum bezwingbare Mauer aus Zähnen und greifenden Händen, wenn sie in Scharen auftreten, aber davon abgesehen sind sie kaum relevant für die Geschichte des Polizisten Rick Grimes, der seine Familie und Freunde durch die Post-Apokalypse führt. Die eigentliche Gefahr geht immer von den lebenden Menschen aus, die irgendwie „messed up“ sind, wie Kirkman es ausdrückt. So gesehen folgt er ziemlich genau der Romero’schen Vorlage, dass der wahre Feind des Menschen der andere Mensch ist. Rassismus spaltete die Gruppe in Die Nacht der lebenden Toten, mangelnde Kooperationsbereitschaft und Habgier führte zum Inferno und der Zerstörung eines potenziell sicheren Hafens in Zombie – Dawn of the Dead, militärischer Chauvinismus brachte den Tod in Zombie 2 – Das letzte Kapitel (Day of the Dead). Romero baute damit eine Art Deutungshoheit über den Zombie auf und im Grunde sind so gut wie alle Ableger, die sich auf eine Art mit dem Thema beschäftigen, dem Grundgerüst von Epidemie – Überlebende suchen eine sichere Bleibe – äußere und/oder innere Umstände führen zur Katstrophe dieser verpflichtet. 

Variationen sind im Zombiefilm selten an diesem Grundgerüst zu finden. In gewisser Weise appellieren die lebenden Toten also an unsere Menschlichkeit, die Frage nach dem Wesen des Menschen lässt sich hier oftmals mit Kooperationswillen zum Wohle Aller übersetzen. Sind Zombiefilme also im Grunde sozialistisch? Wohl kaum, aber sie entsagen im Kern dem sogenannten Turbokapitalismus, der Entmenschlichung und sind wohl auch deshalb seit 1967 erfolgreich. Der Zombie ist als solcher ein Bild für die Todesangst (wird die ARD in ihrer momentanen Themenwoche Leben mit dem Tod einen Zombiefilm ausstrahlen?), für das nicht-Ruhen-können, auf der Metaebene aber auch immer ein Appell an den Menschen, sich selbst nicht als alleinigen Wandler auf Erden zu sehen.

Die besten Genrevertreter, und dazu gehört The Walking Dead eindeutig, belassen es aber nicht bei einer simplen Schwarz-Weiß-Zeichnung. Zombies zwingen die Menschen geradezu, sich ihrem eigenen Charakter zu stellen. So kann man die Handlungen wie die des Gouverneurs, einem schlicht brillanten Schurken des Walking Dead-Universums, nicht gutheißen, man bekommt aber einen Blick in seine Psyche, man erfährt, warum ein Mensch so wird wie er und wie schwer es ist, aus der Spirale der Gewalt herauszukommen, die letztlich im Comic zu einem wahren Höllenfeuer wird. Das Gute am Comic ist, dass er danach, wenn ein Film aller Wahrscheinlichkeit nach zu Ende wäre, weitermachen kann. In The Walking Dead gibt es kein Entrinnen, wir bleiben bei den Charakteren, auch wenn es schmerzt. Umso unheimlicher wird es, wenn man den Protagonisten Rick Grimes der aktuellen Hefte mit dem Rick Grimes des Hefts No. 1 vergleicht. Mord geht ihm nun sehr leicht von der Hand und es ist erschreckend, wie plausibel Kirkman diese Figur zeichnet. Rick hat fast seine gesamte Familie verloren, seine besten Freunde (die schon fast als unantastbar geltende Figur Glenn beispielsweise wurde in Heft #100 getötet und es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf Rick und seine Gruppe auswirken wird) und wenn man die Geschichte aus der Sicht von gewissen Nebencharakteren erzählen würde, wäre Rick womöglich ein Anwärter auf den Posten Gouverneur #2. Die Zombie-Apokalypse testet Rick tagtäglich und seine Leser mit ihm.

Nun hat The Walking Dead den Vorteil, als Comic und als TV-Serie sein Dasein zu fristen, Medien also, die aufgrund ihrer Struktur bestens dafür geeignet sind, Figuren über einen langen Zeitraum zu verfolgen. Der Spielfilm, in dem die wandelnden Toten bisher eher beheimatet sind, hat nur eine begrenzte Spielzeit und muss dementsprechend Abstriche machen. So ist das Dawn of the Dead-Remake von Zack Snyder zwar unterhaltsam, kann den sozialen Kommentar des Originals aber kaum retten und ergeht sich deshalb eher in den Horrorelementen des Unterfangens, während 28 Days Later, wenn auch nicht mit „echten“ Zombies, so doch mit zombie’esken Infizierten bevölkert, meistens erfolgreich versucht, Horror und soziales Statement miteinander zu verknüpfen, die weiteren Implikationen aber außen vor lässt. Will heißen: was der Ausbruch der Seuche in England für die Welt bedeutet, sehen wir nicht. In The Walking Dead bleiben wir zwar auch an Ricks Seite, können den Verlauf der Katastrophe in anderen Teilen der Erde also nicht sehen, spüren aber durch die fortlaufende Handlung, dass die Auswirkungen verheerend waren.

Als wäre es eine Antwort des Zombiefilms auf die globalisierte Welt, stehen uns nun gleich zwei Filme ins Haus, die sich um einen größeren Kontext bemühen.
Zum ersten wäre da die Verfilmung von Max Brooks‘ großartigem Buch World War Z: An Oral History of the Zombie War, dass in Deutschland unter dem dämlichen Titel Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie (in späteren Auflagen wird Operation Zombie vorneangestellt) veröffentlicht wurde. In vielen kleinen Episoden wird von einem UN-Mitarbeiter eine Dekade nach dem zehnjährigen Zombiekrieg ein Kaleidoskop des weltweiten Kampfes gegen die Untoten gesammelt. Die anstehende Verfilmung wählt allerdings eine It-happens-now-Erzählweise und lässt in den Massenszenen ganz offensichtlich die Physik außen vor. Dennoch könnte der Film das oftmals eher lokal verankerte Zombiegenre erweitern.




Eine Sache sei noch erwähnt: Was hat Bad Hersfeld getan, damit es als weiterer Zombiebrandherd auf der kurz aufflackernden Deutschlandkarte dunkler eingefärbt ist als die Außenbereich der sich entlang des Rheins ausbreitenden Infektionszone?



Einen weiteren Beitrag zur Erweiterung des Subgenres könnte Re-Kill leisten, der trotz seines wenig ansprechenden Titels offenbar versucht, die Zombie-Apokalypse aus einer rein medialen Sichtweise zu begutachten. In Zeiten von Myriaden unsäglichen sogenannten Reality-Formaten (oder wahlweise mit dem herrlichen Oxymoron scripted reality betitelt) sicherlich ein interessanter Ansatz und wenn man sich nicht nur auf die Schauwerte verlässt, hat Re-Kill durchaus das Zeug zu einer ähnlich ätzenden Satire der Moderne wie Dawn of the Dead, quasi ein Zombie-Update für die Welt des medialen Overkills (Wortspiel beabsichtigt).




Untote und Humor schließen sich spätestens seit der hervorragenden Genre-Parodie/Hommage Shaun oft he Dead nicht mehr aus. Warm Bodies, der letzte Eintrag in dieser kleinen Vorschau von potenziell innovativen Genrebeiträgen, spielt mit dem neben dem Terror auch durchaus vorhandenen Witzfaktor des Zombies, kann dabei als ausgenzwinkernder Kommentar zum verwässern von Monsterikonen á la Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen verstanden werden und spinnt in gewisser Weise das Konzept auf jugendfreie Weise weiter, dass George A. Romero in Land of the Dead im „seriösen“ Zombiefilm einführte: der Untote ist im Grunde auch nur ein Vertreter einer ethnischen Minderheit, hat also ein Existenzrecht. Wie viel von diesem Subtext, den die Vorschau präsentiert, wirklich im fertigen Film zu finden sein wird bzw. wie sehr sich der Film um ihn bemüht, wird die Zeit zeigen.




Während The Walking Dead den klassischen Aufbau von Zombiebedrohung, Leben und Überleben für das Fernsehen adaptiert und dank seiner Struktur hier tiefer schürfen kann als ein Kinofilm mit zwei Stunden Laufzeit, bleibt abzuwarten, ob World War Z, Re-Kill oder Warm Bodies dem Subgenre auf der Leinwand neue Impulse geben kann. Doch auch wenn es keiner von ihnen schafft oder ein bisher nicht beachteter Außenseiter das Feld von hinten aufrollt, der schlurfende bzw. blitzschnell angreifende lebende Leichnam (noch so ein Oxymoron), jenes vielfältig einsetzbare Symbol menschlicher Ängste, wird uns auch in Zukunft nicht loslassen.

World War Z läuft am 27. Juni 2013 in den deutschen Kinos an, Warm Bodies am 21. Februar 2013 und für Re-Kill ist bisher nur die Veröffentlichung im Vereinigten Königreich am 31. Dezember 2012 gelistet (alle Angaben von imdb.com)


[1] Vgl. Kirkman, Robert/Moore, Tony: The Walking Dead – Volume 1: Days Gone By, Image Comics, 2005, IV

Montag, 29. Oktober 2012

Filmkritik: Hotel Transsilvanien



(Quelle: GreekGeek)

Wer erinnert sich noch an Van Helsing, jenen im Sommer 2004 ins Kino geworfenen Reißbrett-Blockbuster unter der Regie von Stephen Sommers, der Hugh Jackman und Kate Beckinsale gegen allerlei bekannte Monster antreten ließ, namentlich Dracula, Frankensteins Monster, den Werwolf und Dr. Jeckyll/Mr. Hyde? Je weniger es sind, desto besser, denn Van Helsing war nicht nur eine Beleidigung eines jeden Kinogängers mit seinen dummen Dialogen, schlechten Charakteren und ermüdenden Bildern, er war auch eine misslungene Hommage/Auferstehung der klassischen Monster, die vor allem in den Filmen aus den Hammer-Studios Generationen von Filmfans das Fürchten lehrten.
Nun ist es an einem Animationsfilm, ein würdigeres Gipfeltreffen der nächtlichen Alpträume auszurichten. Hotel Transsilvanien von Regisseur Genndy Tartakovsky, dem Mann hinter Cartoonserien wie Samurai Jack, Powerpuff Girls und Dexters Labor, gelingt dies zwar nicht auf bravouröse Weise, aber sein Kinoerstling mag im Story Department noch diverse Schwächen aufweisen, watet dafür aber mit vielen Details und Nuancen auf, die ihn durchaus sehenswert machen.

Um seine Tochter Mavis vor den gefährlichsten Monstern der Welt, den Menschen, zu beschützen, ließ Graf Dracula einst eine riesige Burg, umgeben von einem unheimlichen Wald, errichten. 118 Jahre später steht nicht nur das alljährliche Treffen der Ungeheuer dieser Welt in diesem Hotel Transsilvanien an, sondern auch Mavis‘ Geburtstag, mit dem sie die Vampir-Volljährigkeit erreicht. Sie will die Welt entdecken, etwas, dass ihrem übervorsichtigem Vater überhaupt nicht behagt. Als sich dann auch noch der Slacker Jonathan als erster Mensch ins Hotel verirrt und es zwischen ihm und Mavis funkt, stehen dem Grafen turbulente Zeiten ins Haus…

Die Geschichte von Hotel Transsilvanien ist mehr oder minder aus dem Bausatz. Wir haben den besorgten Vater, die freiheitsliebende Tochter, den romantischen Eindringling und alle Probleme und Konflikte, die sich daraus ergeben. So weit nicht viel Neues, allerdings entschädigt Draculas Hintergrundgeschichte etwas dafür. Mavis wird von ihm nicht aus einem diffusen Bedrohungsgefühl heraus beschützt, sondern weil Menschen seine Frau, Mavis‘ Mutter, töteten, obwohl die Vampirfamilie versuchte, normal unter Menschen zu leben (Blut trinken diese Vampire schon lange nicht mehr, sondern begnügen sich mit Ersatzstoffen wie Bionade-Blut). Dieser emotionale Ankerpunkt wird in der stärksten Sequenz des Films durch Dracula via Rückblenden erzählt und stellt einen interessanten Kontrast zum manchmal etwas überdrehten Rest des Films da. Die spürbare Bedrohung, die in den Rückblenden generiert wird, verbunden mit der melancholischen Beleuchtung der Gegenwart, in der Dracula Jonathan den Grund für sein Handeln erläutert, will auf den ersten Blick so gar nicht zu dem sonstigen Spektakel des Films passen, der sich etwas mehr an seinen eigenen Actionszenen erfreut, als ihm gut tut. Auf den zweiten Blick wird jedoch gewahr, dass Regisseur Tartakovsky hier erfolgreich Elemente in seinen Film einpflegt, die über die reine Unterhaltungsebene hinaus gehen. Die Frage nach der Natur des Monsters ist nicht neu, auch nicht dass sich das Medium Film eher für den gebeutelten Außenseiter, menschlich oder nicht, stark macht, aber dass dieses Element in einem Film wie Hotel Transsilvanien auftaucht, der sich auch für Flatulenzscherze und gepuderte Hinterteile nicht zu schade ist, erfordert ein gewisses Maß an Mut und ist vor allem inmitten des manchmal etwas zu hektisch geratenen Films eine wahre Wohltat.

Zudem ist Hotel Transsilvanien wahrscheinlich einer der ersten westlichen Animationsfilme, in dem die Existenz von Rassismus aktiv bestätigt wird. „Solange sie denken, du bist ein Monster und kein Mensch, werden sie dir nichts tun“, gibt Dracula Jonathan in einer Szene zu bedenken, woraufhin dieser nur erwidert: „Das ist aber ganz schön rassistisch!“ Die Inklusion beziehungsweise Exklusion einer Gruppe nur aufgrund der äußeren Merkmale ist zwar immer wieder ein Thema im Trickfilm und manchmal sind die Kopfbewegungen in Richtung Antifaschismus auch sehr deutlich (z.B. im Film Robots von Chris Wedge; mehr dazu in einem späteren Blogeintrag), aber Hotel Transsilvanien in der erste Animationsfilm, der dieses Problem explizit beim Namen nennt (zumindest nach meinem Kenntnisstand. Wer es besser weiß, darf mich korrigieren). Es ist nur ein kurzer Augenblick im Film und wird von den meisten Zuschauern wahrscheinlich nur als Scherz goutiert, aber dennoch ist auch dies ein Beispiel für die Details, die Hotel Transsilvanien interessant machen.

Natürlich funktioniert nicht alles in diesem Film. Wie bereits erwähnt ist der Film oftmals hektischer als er sein müsste (ich mag mir nicht ausmalen, wie verwirrend manche Sequenzen erst in der 3D-Fassung sein müssen) und die Actionsequenzen sind irgendwann ermüdend, auf der anderen Seite profitiert der Film bei der Charakteranimation eindeutig von Tartakovskys Erfahrung. Wenn Dracula zufrieden grinst und die Mundwinkel steil nach oben stehen wird nicht nur der aus dem klassischen Zeichentrickfilm bekannte Stil des Regisseurs deutlich, es zeigt auch, dass hier die Übertragung von einem Medium auf das Andere geglückt ist. Manchmal wirkt Hotel Transsilvanien in punkto Figurenbewegung wie ein alter Warner-Brothers-Cartoon und das ist wahrlich kein Nachteil. Nicht alle Figuren sind allerdings geglückt. Die Mumie Murray wird sträflich vernachlässigt und man hat das Gefühl, dass man nicht wirklich wusste, was man mit dem Charakter eigentlich anfangen wollte. Die Braut von Frankensteins Monster (nicht nur Frankenstein, aber dieser Fehler wird wohl auf Ewigkeiten immer wieder auftauchen), ein kreischendes Etwas, dass nicht nur aussieht wie Fran Drescher, sondern im Original auch noch von ihr synchronisiert wird, ist schlicht überflüssig und Griffin, der unsichtbare Mann, muss für allerlei weniger gelungene Gags herhalten. Dracula bleibt die interessanteste Figur und die Beziehung zwischen Mavis und Jonatahan ist auf ihre Art niedlich, impliziert aber auch weniger gute Assoziationen, da Mavis als Vampirin deutlich langsamer altert als der Mensch Jonathan und ihre Beziehung dadurch im Grunde von vornherein unter keinem günstigen Stern steht. Nach dem Kinobesuch musste ich erfahren, dass Filmkritiker Dustin Putman dieses Dilemma bereits gut zusammengefasst hat:

„Also problematic is the romance that arises between Mavis and Jonathan. It's not that their relationship isn't sweet in its own way (…), but director Genndy Tartakovsky grossly overlooks the logistics of a vampire who will live forever going out with a mortal human. There is no mention of Jonathan having to give up his human life to be with Mavis, nor is it ever broached that Jonathan will have died before Mavis has reached the vampiric equivalent of middle age. As the film's end paves the way for a rocking musical number and the two lovebirds swoon all over each other, the underlying fact still remains that these two kids are in for a world of hurt and heartache, and sooner rather than later. Simply put, it's emotionally dishonest.“[1]
Andererseits besiegt der Film bereits den Menschen/Monster-Rassismus auf vielfacher Basis, also besteht die Chance, dass es auch für Mavis und Jonathan eine Lösung gibt.

Hotel Transsilvanien bietet nicht die ausgefeilte Story eines PIXAR-Films noch deren technische Überlegenheit. Dieser Film ist ein oftmals überdrehter Cartoon, unterhaltsam, kurzweilig und im Grunde lohnt es sich schon nur für einen herrlichen Seitenhieb auf Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen ein Ticket zu lösen. Die Elemente, die den Film auch über Slapstick hinaus interessant machen, sind vorhanden, aber noch nicht zahlreich. Genndy Tartakovsky zeigt aber, das er in der Lage ist, diese einzubauen und wenn zukünftige Filme eine noch bessere Balance finden, darf man bereits jetzt gespannt sein.

Mittwoch, 29. August 2012

Camouflage

Werbeposter zu einem sogenannten Eventmovie. (Quelle: http://www.fitz-skoglund.de)

Wenn Sie oberes Plakat betrachten (am besten als Vollbild, noch besser in einer Printausgabe), was fällt Ihnen auf?

Wie gut, dass Menschen nicht in Wirklichkeit so nach Photoshop aussehen?
Warum sieht Fabian Busch aus wie Seth Green (ein gelangweilter Seth Green, um genau zu sein)?
Gab es da nicht mal einen deutschen Actionfilm namens Cascadeur und einem Zapfenpflücker als Helden, der einen ganz ähnlichen Untertitel hatte?

All das und noch viel mehr mag Ihnen durch den Kopf gehen, mir ging bei genauerer Betrachtung schließlich eins nicht mehr aus dem Sinn: Nur weil man sexistische Klischees versteckt, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht da sind. 
Bettina Zimmermann, die uns auf dem Poster aus dem Uncanny Valley entgegenblickt, trägt ein lediglich über der Brust zugeknöpftes Hemd, alle anderen Knöpfe sind offen und es lässt sich erahnen, dass der BH ebenfalls der Retusche zum Ofer gefallen ist. Auf der einen Seite gut versteckt, da die Knopfleiste nicht auseinander gezogen ist, auf der anderen Seite sehr prominent, weil sich die Brust natürlich genau im Strahl des von Kai Wiesinger so oscarverdächtig in die Kamera gehaltenen Bernsteins befindet. Clever, wirklich clever. Da suggeriert man mit dem Plakat auf der einen Seite eine von Zimmermann portraitierte starke Frauenfigur, bestärkt durch so ein kleines, aber dadurch natürlich nicht unsichtbares Detail gängige Lara Croft-Klischees.
Inwieweit diese sich dann im fertigen Film niedergeschlagen haben, darüber darf man mich nach dem 16.09. gerne informieren, denn den Eventmovies aus Eigenproduktion bleibe ich grundsätzlich fern. Sorry, RTL.

Freitag, 24. August 2012

Wider den Hass


Die Politik in der Medientheorie außen vorzulassen wäre töricht. Dabei geht es gar nicht um politische Filme wie The Ides of March – Tage des Verrats, jedenfalls nicht jetzt. Es geht um tagesaktuelle Politik, um dass, was die Welt momentan bewegt. Und das Urteil, welches heute über den geständigen Massenmörder Anders Behring Breivik in Oslo gefällt wurde, ist ein solches Beispiel.

Die Medien sind nicht immer sensibel mit dem Thema umgegangen, man erinnere sich nur an den mannigfaltig auf die Titelblätter der Zeitungen gehievten Faschistengrußes, den Breivik im Gerichtssaal vor der Weltöffentlichkeit zeigte. „Bereits vor dem Terrorakt hatte Breivik in seinem Manifest geschrieben, eine Gerichtsverhandlung biete die besten Möglichkeiten, die eigene Botschaft zu verbreiten. Bis jetzt läuft also alles nach Plan.“[1]
Das unerträgliche, widerlich-triumphale Grinsen, dass der Mörder heute im Gericht bei der Urteilsverkündung zur Schau stellte, scheint dieser Einschätzung weiter Rechnung zu tragen. Breivik ist zurechnungsfähig, was einem weiteren Sieg für ihn gleichkommt, er kann die „Aura als Ideologe und politischer Gefangener“[2] weiter aufrecht erhalten, zumindest bei seinen Sympathisanten. Der zitierte Artikel der norwegischen Journalistin und Schriftstellerin Åsne Seierstad informiert uns nämlich auch darüber, dass Breivik bisher ungehindert aus seiner Zelle Briefe und Pamphlete verschicken konnte, die seine rechtsextremen Empfänger dann für ihn ins Netz stellen (einen Internetanschluss hat Breivik nicht, dafür einen Computer nebst Drucker). Zudem beabsichtigt er, in Zukunft drei Bücher zu schreiben, die sowohl seine Ideologie als auch die Tat vom 22. Juli 2011 zum Inhalt haben sollen. Es dürfte nicht schwer zu erraten sein, in welche Gesinnungsrichtung diese Machwerke gehen werden.

Breivik wird nun aller Wahrscheinlichkeit nach aus der großen Öffentlichkeit der Medien verschwinden, seine Propaganda wird er weiter zu verbreiten versuchen. Ob wir es wollen oder nicht, auch Breivik generiert Bilder in der Kultur und es ist an den demokratischen Medien, diesen Zerrbildern einen besonnenen Gegenpol zu liefern. Von ihren extremen Gegnern werden diese Medien oft als links unterwandert, um es vorsichtig auszudrücken, dargestellt. Dies sollte als Kompliment genommen werden, denn Medien sollten nicht zum Hass, zur Gewalt, als Waffe des Mobs, eingesetzt werden. Sollte Breivik seine Freiheiten, die ihm jenes System gewährt, dass er und die Seinen so vehement bekämpfen wollen, weiter nutzen können, so ist mit dem heutigen Urteilsspruch die Sache nicht vom Tisch. Im Gegenteil, womöglich beginnt sie erst, zumindest auf dem medialen Metaschlachtfeld.

Die Attentate in Oslo und auf Utøya und die Mordserie der NSU – diese zwei „Großereignisse“ der jüngeren Vergangenheit im Hinblick auf rechten Terror sollten in punkto Medienpolitik vor allem eins nach sich ziehen: Ein noch stärkeres Eintreten für Demokratie und Menschenwürde, ein schärferes Auge für die mediale Repräsentation von Menschen jeglicher Couleur und ein aktives Auseinandersetzen mit den Bildern, die die Gegenseite produziert, anstatt das Problem totschweigen zu wollen. Wenn dies nicht eintritt, tragen Breivik und Konsorten einen weiteren Sieg davon. Und es kann nicht im Sinne eines jeden klar denkenden Menschen sein, dass dies geschieht.


[1] Åsne Seierstad: Der Sieg des Mörders in DIE ZEIT, 16.08.2012, S. 5
[2] ebenda

Dienstag, 21. August 2012

Filmkritik: Prometheus - Dunkle Zeichen

 Kinoposter zu Prometheus - Dunkle Zeichen (Quelle: http://www.fuenf-filmfreunde.de)

ACHTUNG! Die folgende Kritik enthält ein paar kleinere Spoiler. Wer sich ein gänzlich "reines" Filmvergnügen bewahren will, der geht erst ins Kino und schaut dann wieder hier vorbei.



Offizielle Sprachregelungen sind etwas Wunderbares. So wird Ridley Scotts Reise zu seinen filmischen Ursprüngen nicht als direkte Vorgeschichte zu seinem Kultfilm Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt vermarktet, sondern als eigenständiges Werk, das aber sehr viel Alien-DNA in sich trägt. Dass Prometheus mit ein oder zwei Fortsetzungen die Lücke zwischen den Filmen füllen könnte, wird dann nur noch im Nebensatz erwähnt.

Es stimmt, Prometheus - Dunkle Zeichen schließt nicht komplett an Alien an, zu viele Dinge passen noch nicht zusammen, zu groß sind noch die Widersprüche. Der Grundstein für eine erfolgreiche Prequel-Serie á la Star Wars (auch wenn der Vergleich nur in punkto Funktionalität angebracht ist, nicht in Hinsicht auf Intention und Qualität - Scott dreht schlicht anspruchsvollere Science-Fiction-Filme als George Lucas) ist hingegen mit Prometheus erfolgreich gelegt. Der Film ist nicht ohne Mängel und im direkten Vergleich ist Alien von 1979 immer noch das bessere Werk, aber Prometheus ist ein unterhaltsamer Film, nie langweilig, manchmal gar brillant und nimmt vor allem sein SF-erprobtes Publikum ernst. Im Gegensatz zu Scotts Zukunftsvisionen ist etwas wie Star Wars oder das neue Star Trek-Franchise nur ein besserer Kindergeburtstag.

In der letzten Woche des Jahres 2093 landet die 17-köpfige Crew des Forschungsraumschiffes Prometheus nach über zwei Jahren Flugzeit auf dem entfernten Mond LV-266, auf dem sich die Wissenschaftler Shaw (Noomi Rapace, die originale Lisbeth Salander aus Verblendung) und Holloway (Logan Marshall-Green) die Antwort auf die Frage nach dem Woher? der Menschheit erhoffen. Höhlenzeichnungen auf der Erde ließen darauf schließen, dass die Menschheit einst von Außerirdischen kreiert wurde und sie die technisch nun entwickelten Menschen mit den Zeichnungen auf den fernen Trabanten einladen. Tatsächlich landet man quasi direkt vor einer fremdartigen Pyramide, in deren Innern aber alles tot erscheint. Doch wie so oft täuscht der erste Eindruck und spätestens als einer der dümmsten Biologen der neueren Filmgeschichte seinen großen Auftritt hat, ist jedem klar, dass die Pyramide alles andere als tot ist. Und auch die Erkenntnis, dass das Wort "Einladung" im Hinblick auf die Höhlenzeichnungen vielleicht nicht allzu glücklich gewählt war, kommt zu spät…

Ridley Scott ist ein meisterhafter Bildregisseur. Von der ersten Minute an, in der die Kamera über kargen Landschaften (gedreht auf Island) schwebt bis zu dem Interieur des außerirdischen Raumschiffs, dessen H.R. Giger-Look scheinbar niemals seine Wirkung verfehlt, bietet uns Scott hervorragend komponierte Filmbilder. Selbst das 3-D-Format wird intelligent eingesetzt, um die Räume zu erweitern und zeigt wieder einmal den kolossalen Unterschied zwischen "echtem" 3-D (also Filmen wie Prometheus, die von vornherein mit 3-D-Kameras gedreht wurden) und nachträglich errechnetem 3-D auf. Einzig in der Titelsequenz stören die eingeblendeten, greifbaren Credits massiv die überwältigenden Naturbilder, aber das ist im Großen und Ganzen vernachlässigbar.
Prometheus sieht hervorragend aus; die Entscheidung, Sets zu bauen anstatt komplett auf den Computer zu vertrauen ist immer zu begrüßen. Handwerklich ist nichts zu beanstanden, inhaltlich schon.

Eine der größten Stärken der Alien-Filmreihe ist, dass dem Zuschauer die Protagonisten nicht egal sind. In Alien hat jeder von ihnen eine Persönlichkeit, die Beziehungen untereinander sind dynamisch und man will schlicht nicht, dass sie als Alien-Beute enden. Aliens - Die Rückkehr schaffte es danach, einem Trupp Soldaten, sonst gern und oft nur als austauschbares Kanonenfutter dargestellt, menschliche Gesichter zu geben. Marines durften weinen, betteln, flehen und verzweifeln im Angesicht eines unberechenbaren Feindes - ziemlich viel für einen Haufen "harter Kerle". Alien 3 watete mit einer ganzen Armada von potenziellen Figuren in Form der vom Alien tyrannisierten Strafgefangenen auf und gab hier einigen, wenn auch nicht allen, eine Persönlichkeit. Am nächsten an Prometheus ist Alien - Die Wiedergeburt mit seinen Archetypen, die im Großen und Ganzen ähnlich farblos bleiben wie die Crew auf LV-266. Allein die Anzahl - 17 (!) - ist ein unmissverständliches Zeichen: die allermeisten sind nur hier, um zu sterben. So gibt es eine Sequenz, die ohnehin eher den Anschein hat, als wäre sie nicht aus dramaturgischen Gründen geschrieben worden, in der eine ganze Gruppe von vorher nicht in Erscheinung getretenen Crewmitgliedern von einem reanimierten Geologen niedergemetzelt werden. Die Sequenz ist sinnlos und erhöht lediglich die Anzahl der verzeichneten Leichen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob wir eine Figur wie Kane in Alien erst kennenlernen und dann mit ansehen müssen, wie etwas aus einer Brust herausbricht, oder ob vier namenlose und hinter Helmen versteckte Techniker sterben. Dermaßen inflationär bei gleichzeitiger Nicht-Charakterisierung ging noch kein Film aus dem Alien-Universum mit seinen Figuren um.

Gänzlich anders nutzt Prometheus zudem den filmischen Raum. In Alien war die Nostromo ein verwinkeltes, düsteres Gebilde, dem man ansah, dass es nicht dazu gebaut wurde, damit Menschen überall in seinem Inneren herumkriechen können; ein klaustrophobischer Albtraum. In Aliens erschien dem Zuschauer der langsam von den Aliens eingenommene Außenposten wie eine terrane Version der Nostromo und das rettende Militärraumschiff Sulaco nebst Shutteln erschien hoffnungslos unerreichbar. Auch Alien 3 und Alien - Die Wiedergeburt konnten mit ihren Settings ein Grundgefühl der Klaustrophobie bei gleichzeitiger Betonung der Größe des Handlungsortes erzeugen. Einen einfachen Ausweg, einen short cut oder gar einen Überblick gab es nie.
Das Raumschiff Prometheus wiederrum landet direkt vor der Haustür der Außerirdischen und es ist nur ein verhältnismäßig kurzer Weg mit ein paar futuristischen Landrovern, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Wir wissen stets, wo wir uns befinden (was die Figuren Fifield und Millburn nur noch weiter als bloße Werkzeuge des Drehbuchs entlarvt), selbst im Finale verlieren wir nie den Überblick und irgendwann bewegt sich Shaw so selbstsicher im Innern des außerirdischen Gefährts, als hätte sie nie etwas anderes getan. Das Design und die gekonnt inszenierte Atmosphäre im Innern des Alien-Vehikels sorgen routiniert für eine unheilvolle Stimmung, verloren gehen kann man aber nicht. Scott gibt uns eine recht einfach zu merkende Landkarte an die Hand und verschenkt dabei auch das Potenzial, zumindest das menschliche Raumschiff zu einem interessanten Ort zu machen. Optisch ein gelungener Gegensatz zur dreckigen Funktionalität der Nostromo (die „Reinheit“ der Prometheus-Mission wird im Laufe der Handlung dann auch nicht nur ideell, sondern auch bildlich besudelt, in einer der gleichzeitig intensivsten und angreifbarsten Sequenz des Films) werden die Dimensionen nur in den Anfangssequenzen offenbar, wenn Android David einsam durch das Schiff stromert und die Träume der menschlichen Besatzung im Kälteschlaf dank einer ausgeklügelten (aber auch fragwürdigen) Technik betrachtet.

Das Stichwort Androide darf natürlich in keinem Film mit Alien-DANN fehlen. In Prometheus heißt das Modell David, wird kongenial von Michael Fassbender verkörpert und bleibt bis zum Schluss ambivalenter als jedes seiner filmischen Vorgängermodelle, egal ob sinisterer Ash, heroischer Bishop oder ambitionierte Call. Wenn David zwei Jahre allein über die Prometheus streift, Shaws Träume beobachtet und nach ausgiebigen Filmstudium Peter O’Toole in seiner Lawrence von Arabien-Rolle immer perfekter imitiert, ist das gleichzeitig beunruhigend und grotesk als auch von einer schrägen Poesie.
Fassbender gelingt so die beste schauspielerische Leistung, die man in diesem Film bewundern darf. Noomi Rapace als Shaw ist ebenfalls ein interessanter Charakter, indem sie wie Ripley (Sigourney Weaver) eine starke Frauenfigur portraitieren darf, die zum ersten Mal eine spirituelle Dimension in das Alien-Universum einführt. Sicher, die Strafgefangenen in Alien 3 bekannten sich plakativ zum Glauben, aber Shaw wird als gläubige Christin vor mehr als eine metaphysische Herausforderung gestellt. Dies kann man mit Fug und Recht ebenfalls plakativ nennen (das um den Hals getragenen Kreuz nimmt mehr Deutungsraum ein, als es müsste), verweist aber auch geradezu schnippisch darauf, dass Prometheus zwar eine Erklärung für die Herkunft der Menschheit parat hält, Gott oder eine andere höhere Macht aber konsequent ausschließt bzw. sich einem religiösen Statement entzieht. Shaw wird verletzt, sowohl geistig als auch körperlich, wie ihre Spiritualität diesen Prozess überstehen wird, darauf werden wohl die Fortsetzungen mehr Auskunft geben.

Ansonsten fallen nur noch Idris Elba als Captain Janek und Charlize Theron als Meredith Vickers auf. Ersterer, weil er ganz offensichtlich viel Spaß an seiner Rolle hat und trotz der limitierten Präsenz einen Charakter umreißen kann und Zweitere, weil ihre Rolle grandios daneben geht. Das Drehbuch weiß mit Vickers nicht viel anzufangen, das Konfliktpotenzial zwischen ihr und David wird nie ausreichend ausgeschöpft und ihre Verbindung zu der von Guy Pearce in misslungenem Make-Up dargestellten Figur des Peter Weyland (Alien-Kenner horchen auf) ist derartig vorhersehbar, dass man sich fast dafür schämt, wie sehr der Film die „Enthüllung“ vorbereitet, obwohl der Zuschauer doch bereits durch schlichte Aufmerksamkeit informiert ist. Ansonsten hat Vickers nicht viel mehr zu tun, als im Hintergrund zu stehen, geheimnisvoll zu schauen und kläglich daran zu scheitern, David die Charaktereigenschaften (und Plot-Funktionen) zu stehlen. Ihr Ausscheiden aus der Handlung bekräftigt nur die Annahme, dass man nicht recht wusste, was man mit der Figur anfangen sollte.

Das hört sich nun so an, als gäbe es bei Prometheus mehr zu beanstanden als zu mögen. Dem ist zwar nicht so, aber als Vorgeschichte zu einer filmischen Ikone gerät Scotts Film natürlich unter genauere Betrachtung als der Durchschnitts-Science-Fiction. Auch wenn dem geneigten Film-Freund die Unterschiede und die fehlenden Anschlüsse im Hinblick auf Alien auffallen und das Drehbuch von Damon Lindelof (der bereits die TV-Serie Lost und den Spielfilm Cowboys & Aliens zweifelhaft in Text brachte) zwar Atmosphäre und Begebenheiten beherrscht, in punkto Dialoge aber größtenteils gnadenlos versagt, so kann man Prometheus doch attestieren, dass er sich trotz des Erwartungsdrucks hervorragend schlägt. Als eigenständiger Film ist er den Ticketpreis wert, als Mitglied im Alien-Universum (von dem an dieser Stelle die unsäglichen Alien Vs. Predator-Ausgeburten explizit ausgeschlossen werden) macht er Lust auf mehr. Wenn Ridley Scott Prometheus zu einer Prequel-Trilogie ausbaut, so hat er mit Prometheus – Dunkle Zeichen einen respektablen Start vollführt. Handwerklich atemberaubend, spannend und trotz Lindelofs Dialogen nicht dumm lässt Prometheus zwar einiges vermissen, aber gibt dafür auch einiges. Und wenn es nur zwei sinnvoll verbrachte Kinostunden sind.