ACHTUNG! Im folgenden Text befinden sich Spoiler zum Comic
The Walking Dead. Alle Leser seien hiermit gewarnt.
Zombies sind nicht totzukriegen.
Da dieser schale Scherz nun nicht mehr wie ein
Damoklesschwert über diesem Eintrag schwebt, können wir zum wesentlichen
kommen.
Der moderne Filmzombie, jener reanimierte menschliche Leichnam, der einen für die anderen Beteiligten ungesunden Appetit auf lebendes Fleisch mit sich bringt, erblickte 1967 in George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten das Licht der Leinwand. Vorher zwar ebenso willenlose, aber eher harmlose Gestalten, entlehnt aus der haitianischen Kultur, wandelte sich der Wiedergänge hier zur ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben. Der Zombie gehorcht keinen gesellschaftlichen Regeln, er ist eine Art endgültiger Hedonist, nur auf die Befriedigung seiner Triebe ausgerichtet. Und dies ist nur eine der möglichen Interpretationen. Zombies eignen sich, wie so viele unserer Monster, als perfekte Projektionsfläche für allerlei Ängste und Sorgen.
Diese Aspekte sind meistens interessanter als die Elemente, die diesen Filmen oftmals haarsträubende Zensurauflagen bescheren. Ein Zombiefilm ohne Gewalt ist kaum denkbar, geht doch eine Revolution, wie sie von den lebenden Toten angestachelt wird, selten ohne sie vonstatten. Dennoch ist beispielsweise die ätzende Gesellschaftskritik in Zombie – Dawn of the Dead von 1978 (ebenfalls Romero) diskussionswürdiger als das rosafarbende Tuschkastenblut und die oft eher albernen Gore-Effekte. Die Zombies bilden den Rahmen, den Katalysator, ein immer verfügbares Bedrohungsszenario, auf dessen Untergrund sich der Kern der Geschichte entfalten kann.
Dies bringt uns direkt zu Robert Kirkmans The Walking Dead, als TV-Serie gerade in der Mitte der dritten Staffel angekommen, als Comic seit 2003 äußerst erfolgreich und in den USA inzwischen über 100 Hefte stark. Im Vorwort des ersten Sammelbandes liest man:
„To me, the
best zombie movies aren’t the splatter fests of gore and violence with goofy
characters and tongue in cheek antics. Good zombie movies show us how messed up
we are, they make us question our station in society… and our society’s station
in the world.”[1]
Wohl wahr, denn der Comic schafft etwas, dass Horrormedien
oft generell abgesprochen wird: Er lässt uns derartig am Leben der Figuren
teilhaben, mit ihnen mitzittern und ihr Überleben feiern beziehungsweise ihre
Verluste betrauern, dass die Zombieübergriffe manchmal wie störendes Beiwerk
wirken. Sie sind, wie gesagt, das permanente Bedrohungsszenario, sie bilden
eine kaum bezwingbare Mauer aus Zähnen und greifenden Händen, wenn sie in
Scharen auftreten, aber davon abgesehen sind sie kaum relevant für die
Geschichte des Polizisten Rick Grimes, der seine Familie und Freunde durch die
Post-Apokalypse führt. Die eigentliche Gefahr geht immer von den lebenden
Menschen aus, die irgendwie „messed up“ sind, wie Kirkman es ausdrückt. So
gesehen folgt er ziemlich genau der Romero’schen Vorlage, dass der wahre Feind
des Menschen der andere Mensch ist. Rassismus spaltete die Gruppe in Die Nacht
der lebenden Toten, mangelnde Kooperationsbereitschaft und Habgier führte zum
Inferno und der Zerstörung eines potenziell sicheren Hafens in Zombie – Dawn of
the Dead, militärischer Chauvinismus brachte den Tod in Zombie 2 – Das letzte
Kapitel (Day of the Dead). Romero baute damit eine Art Deutungshoheit über den
Zombie auf und im Grunde sind so gut wie alle Ableger, die sich auf eine Art
mit dem Thema beschäftigen, dem Grundgerüst von Epidemie – Überlebende suchen
eine sichere Bleibe – äußere und/oder innere Umstände führen zur Katstrophe
dieser verpflichtet.
Variationen sind im Zombiefilm selten an diesem
Grundgerüst zu finden. In gewisser Weise appellieren die lebenden Toten also an
unsere Menschlichkeit, die Frage nach dem Wesen des Menschen lässt sich hier
oftmals mit Kooperationswillen zum Wohle Aller übersetzen. Sind Zombiefilme
also im Grunde sozialistisch? Wohl kaum, aber sie entsagen im Kern dem
sogenannten Turbokapitalismus, der Entmenschlichung und sind wohl auch deshalb
seit 1967 erfolgreich. Der Zombie ist als solcher ein Bild für die Todesangst
(wird die ARD in ihrer momentanen Themenwoche Leben mit dem Tod einen
Zombiefilm ausstrahlen?), für das nicht-Ruhen-können, auf der Metaebene aber
auch immer ein Appell an den Menschen, sich selbst nicht als alleinigen Wandler
auf Erden zu sehen.
Die besten Genrevertreter, und dazu gehört The Walking Dead
eindeutig, belassen es aber nicht bei einer simplen Schwarz-Weiß-Zeichnung.
Zombies zwingen die Menschen geradezu, sich ihrem eigenen Charakter zu stellen.
So kann man die Handlungen wie die des Gouverneurs, einem schlicht brillanten
Schurken des Walking Dead-Universums, nicht gutheißen, man bekommt aber einen
Blick in seine Psyche, man erfährt, warum ein Mensch so wird wie er und wie
schwer es ist, aus der Spirale der Gewalt herauszukommen, die letztlich im
Comic zu einem wahren Höllenfeuer wird. Das Gute am Comic ist, dass er danach,
wenn ein Film aller Wahrscheinlichkeit nach zu Ende wäre, weitermachen kann. In
The Walking Dead gibt es kein Entrinnen, wir bleiben bei den Charakteren, auch
wenn es schmerzt. Umso unheimlicher wird es, wenn man den Protagonisten Rick
Grimes der aktuellen Hefte mit dem Rick Grimes des Hefts No. 1 vergleicht. Mord
geht ihm nun sehr leicht von der Hand und es ist erschreckend, wie plausibel
Kirkman diese Figur zeichnet. Rick hat fast seine gesamte Familie verloren,
seine besten Freunde (die schon fast als unantastbar geltende Figur Glenn
beispielsweise wurde in Heft #100 getötet und es bleibt abzuwarten, wie sich
dies auf Rick und seine Gruppe auswirken wird) und wenn man die Geschichte aus
der Sicht von gewissen Nebencharakteren erzählen würde, wäre Rick womöglich ein
Anwärter auf den Posten Gouverneur #2. Die Zombie-Apokalypse testet Rick tagtäglich
und seine Leser mit ihm.
Nun hat The Walking Dead den Vorteil, als Comic und als
TV-Serie sein Dasein zu fristen, Medien also, die aufgrund ihrer Struktur
bestens dafür geeignet sind, Figuren über einen langen Zeitraum zu verfolgen.
Der Spielfilm, in dem die wandelnden Toten bisher eher beheimatet sind, hat nur
eine begrenzte Spielzeit und muss dementsprechend Abstriche machen. So ist das
Dawn of the Dead-Remake von Zack Snyder zwar unterhaltsam, kann den sozialen
Kommentar des Originals aber kaum retten und ergeht sich deshalb eher in den
Horrorelementen des Unterfangens, während 28 Days Later, wenn auch nicht mit
„echten“ Zombies, so doch mit zombie’esken Infizierten bevölkert, meistens
erfolgreich versucht, Horror und soziales Statement miteinander zu verknüpfen,
die weiteren Implikationen aber außen vor lässt. Will heißen: was der Ausbruch
der Seuche in England für die Welt bedeutet, sehen wir nicht. In The Walking
Dead bleiben wir zwar auch an Ricks Seite, können den Verlauf der Katastrophe
in anderen Teilen der Erde also nicht sehen, spüren aber durch die fortlaufende
Handlung, dass die Auswirkungen verheerend waren.
Als wäre es eine Antwort des Zombiefilms auf die
globalisierte Welt, stehen uns nun gleich zwei Filme ins Haus, die sich um
einen größeren Kontext bemühen.
Zum ersten wäre da die Verfilmung von Max Brooks‘ großartigem Buch World War Z: An Oral History of the Zombie War, dass in Deutschland unter dem dämlichen Titel Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie (in späteren Auflagen wird Operation Zombie vorneangestellt) veröffentlicht wurde. In vielen kleinen Episoden wird von einem UN-Mitarbeiter eine Dekade nach dem zehnjährigen Zombiekrieg ein Kaleidoskop des weltweiten Kampfes gegen die Untoten gesammelt. Die anstehende Verfilmung wählt allerdings eine It-happens-now-Erzählweise und lässt in den Massenszenen ganz offensichtlich die Physik außen vor. Dennoch könnte der Film das oftmals eher lokal verankerte Zombiegenre erweitern.
Zum ersten wäre da die Verfilmung von Max Brooks‘ großartigem Buch World War Z: An Oral History of the Zombie War, dass in Deutschland unter dem dämlichen Titel Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie (in späteren Auflagen wird Operation Zombie vorneangestellt) veröffentlicht wurde. In vielen kleinen Episoden wird von einem UN-Mitarbeiter eine Dekade nach dem zehnjährigen Zombiekrieg ein Kaleidoskop des weltweiten Kampfes gegen die Untoten gesammelt. Die anstehende Verfilmung wählt allerdings eine It-happens-now-Erzählweise und lässt in den Massenszenen ganz offensichtlich die Physik außen vor. Dennoch könnte der Film das oftmals eher lokal verankerte Zombiegenre erweitern.
Eine Sache sei noch erwähnt: Was hat Bad Hersfeld getan,
damit es als weiterer Zombiebrandherd auf der kurz aufflackernden
Deutschlandkarte dunkler eingefärbt ist als die Außenbereich der sich entlang
des Rheins ausbreitenden Infektionszone?
Einen weiteren Beitrag zur Erweiterung des Subgenres könnte
Re-Kill leisten, der trotz seines wenig ansprechenden Titels offenbar versucht,
die Zombie-Apokalypse aus einer rein medialen Sichtweise zu begutachten. In
Zeiten von Myriaden unsäglichen sogenannten Reality-Formaten (oder wahlweise
mit dem herrlichen Oxymoron scripted reality betitelt) sicherlich ein
interessanter Ansatz und wenn man sich nicht nur auf die Schauwerte verlässt,
hat Re-Kill durchaus das Zeug zu einer ähnlich ätzenden Satire der Moderne wie
Dawn of the Dead, quasi ein Zombie-Update für die Welt des medialen Overkills
(Wortspiel beabsichtigt).
Untote und Humor schließen sich spätestens seit der
hervorragenden Genre-Parodie/Hommage Shaun oft he Dead nicht mehr aus. Warm
Bodies, der letzte Eintrag in dieser kleinen Vorschau von potenziell
innovativen Genrebeiträgen, spielt mit dem neben dem Terror auch durchaus
vorhandenen Witzfaktor des Zombies, kann dabei als ausgenzwinkernder Kommentar
zum verwässern von Monsterikonen á la Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen
verstanden werden und spinnt in gewisser Weise das Konzept auf jugendfreie
Weise weiter, dass George A. Romero in Land of the Dead im „seriösen“
Zombiefilm einführte: der Untote ist im Grunde auch nur ein Vertreter einer
ethnischen Minderheit, hat also ein Existenzrecht. Wie viel von diesem Subtext,
den die Vorschau präsentiert, wirklich im fertigen Film zu finden sein wird
bzw. wie sehr sich der Film um ihn bemüht, wird die Zeit zeigen.
Während The Walking Dead den klassischen Aufbau von
Zombiebedrohung, Leben und Überleben für das Fernsehen adaptiert und dank
seiner Struktur hier tiefer schürfen kann als ein Kinofilm mit zwei Stunden
Laufzeit, bleibt abzuwarten, ob World War Z, Re-Kill oder Warm Bodies dem
Subgenre auf der Leinwand neue Impulse geben kann. Doch auch wenn es keiner von
ihnen schafft oder ein bisher nicht beachteter Außenseiter das Feld von hinten
aufrollt, der schlurfende bzw. blitzschnell angreifende lebende Leichnam (noch
so ein Oxymoron), jenes vielfältig einsetzbare Symbol menschlicher Ängste, wird
uns auch in Zukunft nicht loslassen.
World War Z läuft am 27. Juni 2013 in den deutschen Kinos
an, Warm Bodies am 21. Februar 2013 und für Re-Kill ist bisher nur die
Veröffentlichung im Vereinigten Königreich am 31. Dezember 2012 gelistet (alle
Angaben von imdb.com)
[1] Vgl. Kirkman, Robert/Moore, Tony: The Walking Dead – Volume 1: Days Gone By,
Image Comics, 2005, IV
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