Freitag, 24. August 2012

Wider den Hass


Die Politik in der Medientheorie außen vorzulassen wäre töricht. Dabei geht es gar nicht um politische Filme wie The Ides of March – Tage des Verrats, jedenfalls nicht jetzt. Es geht um tagesaktuelle Politik, um dass, was die Welt momentan bewegt. Und das Urteil, welches heute über den geständigen Massenmörder Anders Behring Breivik in Oslo gefällt wurde, ist ein solches Beispiel.

Die Medien sind nicht immer sensibel mit dem Thema umgegangen, man erinnere sich nur an den mannigfaltig auf die Titelblätter der Zeitungen gehievten Faschistengrußes, den Breivik im Gerichtssaal vor der Weltöffentlichkeit zeigte. „Bereits vor dem Terrorakt hatte Breivik in seinem Manifest geschrieben, eine Gerichtsverhandlung biete die besten Möglichkeiten, die eigene Botschaft zu verbreiten. Bis jetzt läuft also alles nach Plan.“[1]
Das unerträgliche, widerlich-triumphale Grinsen, dass der Mörder heute im Gericht bei der Urteilsverkündung zur Schau stellte, scheint dieser Einschätzung weiter Rechnung zu tragen. Breivik ist zurechnungsfähig, was einem weiteren Sieg für ihn gleichkommt, er kann die „Aura als Ideologe und politischer Gefangener“[2] weiter aufrecht erhalten, zumindest bei seinen Sympathisanten. Der zitierte Artikel der norwegischen Journalistin und Schriftstellerin Åsne Seierstad informiert uns nämlich auch darüber, dass Breivik bisher ungehindert aus seiner Zelle Briefe und Pamphlete verschicken konnte, die seine rechtsextremen Empfänger dann für ihn ins Netz stellen (einen Internetanschluss hat Breivik nicht, dafür einen Computer nebst Drucker). Zudem beabsichtigt er, in Zukunft drei Bücher zu schreiben, die sowohl seine Ideologie als auch die Tat vom 22. Juli 2011 zum Inhalt haben sollen. Es dürfte nicht schwer zu erraten sein, in welche Gesinnungsrichtung diese Machwerke gehen werden.

Breivik wird nun aller Wahrscheinlichkeit nach aus der großen Öffentlichkeit der Medien verschwinden, seine Propaganda wird er weiter zu verbreiten versuchen. Ob wir es wollen oder nicht, auch Breivik generiert Bilder in der Kultur und es ist an den demokratischen Medien, diesen Zerrbildern einen besonnenen Gegenpol zu liefern. Von ihren extremen Gegnern werden diese Medien oft als links unterwandert, um es vorsichtig auszudrücken, dargestellt. Dies sollte als Kompliment genommen werden, denn Medien sollten nicht zum Hass, zur Gewalt, als Waffe des Mobs, eingesetzt werden. Sollte Breivik seine Freiheiten, die ihm jenes System gewährt, dass er und die Seinen so vehement bekämpfen wollen, weiter nutzen können, so ist mit dem heutigen Urteilsspruch die Sache nicht vom Tisch. Im Gegenteil, womöglich beginnt sie erst, zumindest auf dem medialen Metaschlachtfeld.

Die Attentate in Oslo und auf Utøya und die Mordserie der NSU – diese zwei „Großereignisse“ der jüngeren Vergangenheit im Hinblick auf rechten Terror sollten in punkto Medienpolitik vor allem eins nach sich ziehen: Ein noch stärkeres Eintreten für Demokratie und Menschenwürde, ein schärferes Auge für die mediale Repräsentation von Menschen jeglicher Couleur und ein aktives Auseinandersetzen mit den Bildern, die die Gegenseite produziert, anstatt das Problem totschweigen zu wollen. Wenn dies nicht eintritt, tragen Breivik und Konsorten einen weiteren Sieg davon. Und es kann nicht im Sinne eines jeden klar denkenden Menschen sein, dass dies geschieht.


[1] Åsne Seierstad: Der Sieg des Mörders in DIE ZEIT, 16.08.2012, S. 5
[2] ebenda

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen